Die Waldorfschulen erhalten vom Land derzeit nur rund 82% des Landesschülerkostensatzes als Zuschüsse. Wie sich ein Schülerkostensatz berechnet, ist unter § 121 SchulG geregelt. "Zugrunde zu legen sind die Personal- und Sachkosten, die im Landesdurchschnitt für den lehrplanmäßigen Unterricht einer Schülerin oder eines Schülers an einer öffentlichen Schule der vergleichbaren Schulart entstanden sind."
Wenn man davon ausgeht, daß in jeder Schule die Ausgaben für den Lehrkörper rund 80-85% betragen und rund 15-20% für Sachkosten ausgegeben wird, dann führt diese gesetzliche Regelung zu folgendem Bild:
Entweder erhält eine Schule mit den 82% Satz gerade einmal das Budget für das Personal und es fehlt dann das Sachkostenbudget oder:
Von den 100% an Einkommen für Lehrkräfte, erhält eine Ersatzschule nur 82% durch das Bundesland (Schulträger), bei einem deutlichen Mehr an Unterrichtsangeboten einer Waldorfschule.
Von den 100% Sachkosten für den Betrieb einer Schule (Siehe § 48 SchulG), werden ebenfalls nur 82% derzeit erstattet, auch bei erhöhten Kosten für die Selbstverwaltung, ein schönes Gelände und gute Gebäude.
Wie wird diese Lücke in den einzelnen Schulen meist ausgeglichen?
In der Regel liegen die Gehälter des Kollegiums an einer Waldorfschule deutlich tiefer als in den Kollegien in öffentlichen Schulen, die nach TVöD entlohnt werden.
Das bemängelte auch der Landesrechnungshof kritisch in seinem Bericht von 2019, Seite 9.
Zu den Sachkosten zählen: Lehrmaterialbedarf der nicht persönlicher Bedarf ist, Mieten der Gebäude, Energiekosten, Kleinstunterhalt, Öffentlichkeitsarbeit, Hausmeisterei und Reinigung, Verwaltung, IT, Versicherung, Geschäftsführung, Beförderung etc.
In der Waldorfschule werden für den Ausgleich dieser ungedeckten Sachkostenausgaben (Finanzierungslücke) Elternbeiträge erhoben.
Diese Beiträge werden oft als Zahlung für eine "Bildungsdienstleistung" missverstanden, die sie so nicht sind. Der Betrag dient meist nicht dafür den Lehrkörper zu bezahlen, da dieser durch Gehaltsverzicht sich an die reduzierten Ausgaben anpasst.
Mit diesen Elternbeiträgen wird ermöglicht, daß Gebäude und eine Infrastruktur nach eigenen Vorstellungen errichten und betrieben werden kann und die staatliche Unterfinanzierung der Schule geschlossen wird.
Die Erhebung von Schulbeiträgen ist jedoch diversen Regelungen unterworfen.
Das Sonderungsverbot im Art. 7 Abs. 4 GG verbietet den privaten Schulen ein
Schulgeld zu erheben (siehe Bericht des Landesrechnungshofs, Seite 10), welches den Besuch aufgrund von Besitzverhältnissen der Eltern verhindert.
Ebenso müssen die Lehrkräfte angemessen vergütet werden." (Siehe Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 17/1600, Seite 7, Absatz 2)
Die Einhaltung des Sonderungsverbot wird in Waldorfschulen durch das Solidaritätsprinzip Schulbeitragsordnung unter den Eltern gewährleistet. Die Schulbeitragsordnung ist Einkommensabhängig und sorgt für einen internen Ausgleich zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Elternhäusern, abhängig von der Anzahl der beschulten Kinder.
Im zweiten Schritt wird dann der Durchschnitt aller Einnahmen aus Elternbeiträgen durch die Anzahl aller Schüler der Schule ermittelt und dieser Satz darf dann nicht höher als der geregelte Höchstsatz sein. Sprich, bisher ist die Höhe des Elternbeitrag gedeckelt. In der Regel entspricht dieser Beitrag dem Betrag eines Kindergeldes.
So bleibt einer Waldorfschule nicht viel Spielraum um wirtschaftlich gut zu arbeiten.
Der einzige Ausweg ist die Anzahl Schülerplätze pro Klasse zu erhöhen. Dies wiederum führt jedoch dazu, daß Klassen zu groß für den Fachunterricht werden und so neue Ausgaben für den Lehrkörper durch Klassenteilung oder -drittelung anfallen. Diese Ausgaben sind jedoch im Schülerkostensatz nur zum Teil eingerechnet (nur in der Höhe wie sie an Regelschulen auch gehandhabt werden). Aber auch hier sind der Schule seitens der Kukltursministerkonferenz Grenzen gesetzt. Für Gemeinschaftsschulen in SH beträgt diese 29 Schüler pro Klasse.
Somit gibt es meiner Kenntnis nach nur drei Lösungswege für Waldorfschulen:
1) Der Schülerkostensatz an Waldorfschulen wird zu 100% seitens des Landes geleistet
2) Eine Schule muss ein innovatives Deputatskonzept (Unterichtskonzept) entwickeln, welches mit weniger Deputaten auskommt, aber zu gleichen Lernergebnissen führt. Eine Mamutsaufgabe, wenn mehr Inhalte als an der Regelschule angeboten werden sollen.
3) Eine Schule benötigt Drittmittel aus Spenden, Nachlässe und Erbschaften, laufenden Zuwendungen aus dem Wirtschafts- und Privatleben. Auch dies ist eine Aufgabe, die nur mit langem Atem und viel gutem Vertrauen in die Arbeitsweise einer Schule und ihre Ergebnisse bei Schülern entstehen kann.
Der Gründer der Waldorfschulbewegung hatte ursprünglich vorgesehen, seine freien Waldorfschulen (Siehe Buchempfehlung) durch freie Überschüsse aus dem Wirtschaftsleben mit zu refinanzieren. Die erste Waldorfschule wurde zuerst von Emil Moltke (Waldorf Astoria AG) und mit dem Übergang dieses Unternehmens in den Konzern Kommender Tag AG hieraus finanziert, damit die Waldorfschule frei und unabhängig ist und die Arbeiterkinder möglichst kostenlos die Schule besuchen konnten.
Im Werk Steiners finden sich zahlreiche Stellen, in denen er die Wichtigkeit beschreibt, daß Überschüsse aus dem Wirtschaftsleben in das sogenannte Geistesleben zurückfließen. (Siehe GA 337b, Seite 249).
Dies ist ein spannendes aber umpfangreiches Thema, daher gehe ich hier nicht weiter drauf ein.
An vielen Stellen unseres Wirtschafts- und Privatwesens gibt es diese freien Überschüsse und es liegt am Ende immer an Einzelmenschen, die aus guter Kenntnis der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge die bis in eine Waldorfschule reichen, dann aus Überzeugung Gelder in Richtung Geistesleben lenken.
Dies kann in Form von monatlichen Fördermitgliedsbeiträgen sein, freien Zusagen an Jahresspenden oder vielen anderen Wegen. Hier steht der Förderverein der Waldorfpädagogig in Neumünster gerne beratend zur Seite. siehe hier.
Ich fasse dies einmal so zusammen: die Waldorfschule (Geistesleben) ist eigentlich der Komposthaufen des Wirtschaftslebens, damit dort Humus für die Gesellschaft entstehen kann, der dann in der Gesellschaft Früchte trägt.
Diese Aufgabe der Kompostarbeit kann aber nur möglich werden, wenn das Geistesleben wirklich frei und unabhängig ist. Denn nur ein freies Geistesleben ist auch Garand für eine gesunde Demokratie und eine florierende Wirtschaft.
Diese Aufgabe zu realisieren, ist an Waldorfschulen in den letzten 100 Jahren nur in geringem Umfang aufgegriffen worden. Dazu fehlt es an vielen Waldorfschulen bis heute auch an dem von Rudolf Steiner maßgeblich geforderten fächerübergreifenden Wirtschaftsfach über alle Klassenstufen.
Hier könnte für uns alle eine Zukunftsaufgabe liegen, indem das Verständnis für diesen fruchtbaren Vorgang wieder erweckt wird und nach sinnvollen Wegen im Schulleben, in der Gesellschaft und der Wirtschaft gesucht wird.
/benjamin zöllner
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